Der Wille zur Freiwilligkeit

31.8.2016 – von Charles Krüger.

Charles Krüger

Voluntarismus kommt von dem englischen Wort „voluntary“, was auf Deutsch „freiwillig“ bedeutet. Der Voluntarismus beschreibt eine Gesellschaftsform, die auf dem Grundsatz basiert, dass jede zwischenmenschliche Interaktion auf Freiwilligkeit und Freiheit anstatt auf Zwang und Gewalt basieren sollte. Man könnte auch sagen, es ist die logische Konsequenz der Aussage „Leben und leben lassen“. Du machst, was Du willst und ich mache, was ich will. Solange wir uns dabei nicht schaden, hat keiner das Recht, Zwang gegen den anderen auszuüben.

So sollte eine freie Gesellschaft aussehen: freiwillige Interaktion von Individuen, die einander nicht ihren Willen aufzwingen, sondern friedlich koexistieren und jeden bestrafen, der diesen Frieden bricht.

Der Voluntarismus schreibt keine Wirtschaftsform vor. Die Menschen können nach marktwirtschaftlichen Prinzipien des freiwilligen Handels, Produzierens und Arbeitens leben oder sie können sich auf freiwilliger Basis zusammenschließen und ihr Eigentum gemeinschaftlich organisieren. Das alles ist legitim, solange es auf Freiwilligkeit basiert. Jeder Mensch hat das Recht, dass jeder andere Mensch sein Leben und Eigentum respektiert.

Genau genommen leben wir alle geschätzt schon zu deutlich über 90% nach voluntaristischen Idealen. Freundschaften und zwischenmenschliche Beziehung basieren nahezu ausschließlich auf Freiwilligkeit. Freundschaften haben beispielsweise nur so lange Bestand, wie beide Teile weiterhin miteinander befreundet sein wollen. Ist das nicht mehr der Fall, kann man die Freundschaft aufkündigen. Das Gleiche sieht man bei Beziehungen oder sogar Ehepaaren: sobald ein Teil das Gefühl hat, dass die Beziehung nicht mehr funktioniert, kann man sich trennen. Alles basiert auf Freiwilligkeit. Niemand kann bzw. sollte eine andere Person zwingen können, mit ihr verheiratet, befreundet oder ähnliches zu sein. Es sollte auch niemand eine andere Person zwingen können, für sie zu arbeiten, sie einzustellen, mit ihr zu handeln etc.

Freiwilligkeit ist die zweite Medaillenseite der Freiheit. Das eine kann ohne das andere nicht existieren. Der Unterschied zwischen Freiwilligkeit und Zwang ist wie der Unterschied zwischen: Handel und Diebstahl, zwischen „Ich komme heute mit zu Dir“ und Kidnapping, zwischen romantischer Hochzeit und Zwangsehe, zwischen einvernehmlichem Sex und Vergewaltigung. Der Unterschied zwischen Freiwilligkeit und Zwang ist der alles entscheidende Unterschied in der Art und Weise, wie Menschen miteinander interagieren: Entweder sie interagieren in Freiwilligkeit wie zivilisierte Menschen, oder sie interagieren durch Zwang und Gewalt wie Barbaren.

Zwischenmenschlicher Zwang ist also illegitim in einer voluntaristischen Gesellschaft. Die einzigen Ausnahmen sind, dass Zwang legitim ist, wenn man ihn zur Selbstverteidigung seines Lebens, seines Eigentums oder das seiner Mitmenschen nutzt, oder wenn man einer Vereinbarung zugestimmt hat und diese dann erfüllen muss. Wenn ich also beispielsweise einen Vertrag mit einer anderen Person eingehe, bei dem ich verspreche, dieser Person in fünf Monaten 100.000 Euro zu geben, während die andere Person mir dafür ihr Haus gibt, dann ist es meine Pflicht, diesen Vertrag einzuhalten, solange dieser Vertrag freiwillig zustande gekommen ist.

Voluntaristen haben nicht die naive Vorstellung, dass sich irgendwann alle Menschen wie Engel verhalten und niemand mehr Zwang und Gewalt gegen andere Menschen ausübt. Solange der Mensch einen freien Willen hat, wird er auch schlechtes tun können. Ein Voluntarist nimmt nicht blauäugig an, irgendwann eine utopische, perfekte Gesellschaft zu haben. Er will lediglich, dass jeder, der Zwang und Gewalt gegen seine Mitmenschen ausübt, bestraft wird.

Das ist alles. Und es ist heute schon größtenteils so. Mord, Vergewaltigung, Körperverletzung, Diebstahl, Betrug etc. sind verboten. Wenn Du Zwang und Gewalt gegen Deine Mitmenschen ausübst, dann ist die Chance hoch, dass Du verhaftet und verurteilt wirst. Aber das ist eben nicht immer, sondern nur größtenteils so. Es gibt eine Institution, die das angeblich moralische und juristische Recht, ja sogar angeblich die Pflicht hat, Zwang und Gewalt gegen friedliche Menschen auszuüben: das Gewaltmonopol, der Staat.

Der Staat hat das Recht, anderen Menschen durch Zwang ihr erarbeitetes Eigentum wegzunehmen, sprich: Steuern einzunehmen. Versuche Du doch mal, Steuern einzunehmen. Gehe mal zu Deinem Nachbarn und sage: „Du musst mir jetzt jeden Monat die Hälfte von Deinem Lohn geben, ansonsten stecke ich Dich in einen Käfig“. Du würdest verhaftet werden, weil Du dieses Recht nicht hast. Du hast nicht das Recht, anderen Menschen ihr Eigentum wegzunehmen. Du hast nicht das Recht, Diebstahl zu begehen. Der Staat schon. Das Finanzamt kann Dir so viel von Deinem Eigentum wegnehmen, wie die Politiker zuvor willkürlich festgelegt und gesetzlich verankert haben.

Der Staat kann Kriege führen und Massenmord begehen, ohne dass irgendjemand die Verantwortlichen bestraft. Der Staat kann Dich überwachen und damit ungefragt in Dein Eigentum und Deine Privatsphäre eindringen. Der Staat kann eine Handlung, mit der Du niemand anderem schadest, verbieten und unter Strafe stellen – wie beispielsweise Drogenkonsum. Der Staat kann Dich zwingen, ein absurdes Geldsystem zu nutzen, Bankenrettungen zu finanzieren, Deine Kinder in schlechte Schulen zu schicken, Kriege im mittleren Osten oder Konjunkturspritzen für superreiche Konzerne zu bezahlen und so weiter und so fort. Ich bin mir sicher, Dir fallen weitere Beispiele ein, die der Staat mit Deinem Geld finanziert, obwohl Du dafür niemals freiwillig bezahlen würdest.

Manche Dinge, die der Staat mit Steuergeldern bezahlt, sind zuweilen durchaus sinnvoll für eine moderne Gesellschaft. Das ist nicht zu bestreiten. Man denke an Schulen, Polizisten, Richter, Krankenhäuser, Straßen und so weiter. Das Problem ist allerdings die Art der Finanzierung. Alles, was der Staat finanziert, finanziert er schließlich durch Zwang, sprich: durch Steuern.

Fragst Du Dich manchmal, wie sich Bäcker, Kinos, Clubs, Elektriker, Journalisten, Friseure, Programmierer, Autowaschanlagen oder Supermärkte ohne gestohlenes Geld finanzieren können? Also ich nicht. Wenn die Menschen Deine Produkte oder Dienstleistungen schätzen, werden sie ohne Probleme freiwillig dafür bezahlen. Wenn es einen Vertrag gibt, beispielsweise einen Kaufvertrag, müssen sich beide Seiten daranhalten, weil dem Vertrag beide Seiten zugestimmt haben. Wenn Menschen eine Dienstleistung schätzen, beispielsweise die Dienstleistung von der Feuerwehr, dann wird es auch kein Problem sein, die Feuerwehr zu finanzieren. Alles, was der Staat heute finanziert, kann man auf freiwilliger und freiheitlicher Basis finanzieren, wenn die Menschen ein Interesse daran haben, dass diese Dinge existieren. Dafür ist kein Diebstahl benötigt.

Wenn Du etwas willst, dann mache es selber oder bezahle andere Menschen, dass sie es für Dich machen. So kannst Du alles finanzieren.

Ich habe kein Problem für Straßen oder Schulen zu bezahlen, genauso wenig wie ich ein Problem habe, den Bäcker zu bezahlen, nachdem ich mich freiwillig dafür entschieden habe, bei ihm ein Brötchen zu kaufen. Genauso bezahle ich meine Stromrechnung, um die Gegenleistung der Stromversorgung zu erhalten, die ich freiwillig so gewünscht habe. Ich habe allerdings ein Problem damit, durch Steuern ausgeraubt zu werden und Sachen zu bezahlen, für die ich mich nicht freiwillig entschieden habe – und dass nur, weil manche Menschen (sogenannte „Politiker“) meinen, sie könnten mit meinem Geld besser als ich selber umgehen. Ich will die Freiheit, selber zu entscheiden, was mit den Früchten meiner Arbeit passiert. Ich will nicht gezwungen werden, für etwas zu bezahlen, dem ich nicht zugestimmt habe.

Klar, man könnte sich noch darüber unterhalten, wie genau sich beispielsweise Feuerwehren oder Krankenhäuser ohne den Staat finanzieren würden, und darüber wurden schon hunderte Bücher geschrieben, aber das alles tut nicht viel zur Sache. Zwang ist unmoralisch. Es ist unmoralisch, andere Menschen zu zwingen, für eine Sache zu bezahlen, nur weil man sie selber gut findet. Es ist unmoralisch, anderen Menschen seinen Willen aufzuzwingen. Wir wollen eine freie Gesellschaft, in der jeder Mensch frei leben kann und niemand das Recht hat, andere Menschen zu irgendetwas zu zwingen, dem sie nicht vorher freiwillig zugestimmt haben. Das ist das Wichtige. Sobald das geklärt ist, können wir uns über die Details unterhalten.

Selbst wenn Du den Text bis hierhin gelesen hast und noch nicht vom Voluntarismus überzeugt bist, dann kann Dir eine Sache versichern: Du kannst Dich auch weiterhin freiwillig dazu entscheiden, Dich beherrschen zu lassen. Solange es auf Freiwilligkeit basiert, darfst Du Dich gerne mit vielen anderen Menschen zusammenschließen und dann demokratisch darüber abstimmen, welche Witzfigur Euch nun kontrollieren, überwachen und besteuern darf. Du darfst gerne weiterhin freiwillig Dein ganzes Geld an Diesen Herrscher abgeben. Das ist alles unter voluntaristischen Gesichtspunkten möglich, solange Du nicht unbeteiligte Dritte zwingst, daran teilzunehmen. Und das ist der Knackpunkt. Du willst beherrscht werden: gut, aber zwinge mich nicht, ebenfalls beherrscht zu werden.

 

 

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Charles Krüger ist der Betreiber seines gleichnamigen YouTube Channels, wo er mehrmals pro Woche über Themen wie Libertarismus, Freiheit und Marktwirtschaft redet. Er ist der Autor des Buches “Die größte Täuschung der Menschheitsgeschichte”. Alle Infos zu seiner Arbeit findet man auf www.charleskrueger.de.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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