Sozialisten sind Knappheitsleugner

24.8.2016 – von Jeffrey Tucker.

Jeffrey Tucker

Amnesty International hat endlich genug von den Ereignissen in Venezuela. Während die Bevölkerung hungert, hat der Staat Zwangsarbeit angeordnet. Amnestys Kommentar dazu: „Venezuelas schwerwiegender Lebensmittelknappheit damit zu begegnen, die Menschen zur Feldarbeit zu zwingen, ist, als ob man ein gebrochenes Bein mit einem Heftpflaster heilen wollte.“

Tatsächlich ähnelt es mehr dem Versuch, ein gebrochenes Bein mit einem Kopfschuss heilen zu wollen.

Zwangsarbeit ist ein schwerer Menschenrechtsverstoß. Vielleicht erkennen Sie hier ein System. Wo immer der Sozialismus ausprobiert wird, leiden die Menschen.  Dabei ist jedes sozialistische Experiment anders, weil sich keine zwei tyrannischen Regime genau gleich verhalten. Aber die Wurzel des Übels besteht darin, dass man die Menschen daran hindert, Dinge zu besitzen, anzusparen, zu handeln und Verträge einzugehen.

Das ist das Kernproblem Venezuelas.

Jetzt geht es wieder los

Die Sozialisten protestieren. „Venezuelas Probleme liegen keinesfalls darin, dass der Sozialismus selbst fehlerhaft ist.“

Der Sozialismus scheint die hartnäckigste nicht-falsifizierbare Ideologie auf der ganzen Welt zu sein. Sozialisten sind wie Menschen, die sich weigern, die Existenz der Schwerkraft anzuerkennen und ständig in die Luft springen in der Erwartung, jeden Moment zu den Wolken aufzusteigen. Es passiert zwar nie, aber ihren Glauben an die Nichtexistenz der Schwerkraft erschüttert das nicht.

Was ist überhaupt Sozialismus? Egal wie man ihn definiert, egal wie viele gescheiterte sozialistische Experimente es gibt, egal wie oft die zentralen Thesen des Sozialismus schon wiederlegt worden sind – die Sozialisten lehnen jegliche Verantwortung dafür ab.

Lassen Sie uns eine beliebige Definition aufgreifen. Die Socialist Party of Britain liefert folgende kurze Definition des Sozialismus: „Freier Zugang aller zu allen Gütern und Dienstleistungen.“

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Grundsätzliche Missverständnisse

Diese Behauptung scheint all meine Vorurteile gegenüber dem Sozialismus zu bestätigen. Er beruht auf einer schlichten Fehleinschätzung, die so grundlegend ist, dass ein fundamentales Merkmal der Realität an sich geleugnet wird, nämlich die Existenz und das Fortbestehen von Knappheit. Das heißt der Sozialismus leugnet, dass Produktion und Zuweisung von Ressourcen überhaupt Schwierigkeiten verursachen können. Wer das leugnet, bei dem muss man sich nicht wundern, wenn er Ökonomie nicht als relevante Sozialwissenschaft betrachtet.

Wir sollten festhalten, dass Ökonomen den Begriff „Knappheit“ auf eine ganz bestimmte Art und Weise verwenden, und zwar nicht im Sinne von „Mangel“, obwohl Mangel eine mögliche Folge von Knappheit sein kann. Aber eine Ware oder Dienstleistung kann knapp sein, obwohl sie im Überfluss verfügbar ist.

So bedeutet es nicht, dass es keine Knappheit mehr gibt, weil die Supermarktregale prall mit Lebensmitteln gefüllt sind und Internetfirmen uns förmlich darum anbetteln, ihre Apps herunterzuladen. So etwas wie die Abwesenheit von Knappheit existiert in unserer Welt nicht.

So lange es einen Wettstreit um die Kontrolle über etwas gibt, handelt es sich um ein knappes Gut. Nehmen wir an, Sie teilen sich eine Pizza mit Freunden. Jedes Mal, wenn Sie sich ein Stück Pizza nehmen, erscheint wie durch Magie ein neues Stück – die Pizza reproduziert sich selbst. Sobald Sie dies bemerken ändert sich ihr Verhalten. Es gibt keine Konkurrenz mehr um die Pizzastücke. Dass Sie ein Stück Pizza kontrollieren, verhindert nicht, dass jemand anderes ebenfalls ein Stück kontrolliert. In diesem Fall ist Pizza tatsächlich nicht mehr knapp.

Knappheit ist untrennbar mit den Eigenschaften einer Ware verbunden. Wenn man sich vorstellen kann, dass Menschen in irgendeiner Art und Weise darüber diskutieren, wer die Kontrolle über etwas ausübt, dann ist es knapp. Diskutieren über „geistiges Eigentum“ zählt nicht, weil dabei in Wirklichkeit darüber diskutiert wird, ob jemand seine eigenen knappen Ressourcen (Computerlaufwerke, Gitarrensaiten etc.) auf eine Art und Weise verwenden darf, die bestimmte Muster (Software, Lieder etc.) reproduziert. Mehr darüber später.

Selbst reichhaltig vorhandene Güter können knapp sein. Man denke dabei an eine Ostereiersuche, bei der 100.000 Eier versteckt wurden. Die Kinder werden sich trotzdem Mühe geben und sich anstrengen, um sie zu finden. Sie sind immer noch knapp.

Kein Gemeinschaftseigentum an knappen Gütern

Dies ist der springende Punkt. So lange etwas knapp ist, kann es keinen freien, unbegrenzten öffentlichen Zugang dazu geben. Egal worum es sich handelt, es wird ausgebeutet werden, die Bestände werden zur Neige gehen und letztendlich, nach erbittertem Kampf um die letzten Reste, verschwinden. Ähnliches beobachten wir gerade in Venezuela.

Das bedeutet, es kann keinen Sozialismus in Bezug auf ein knappes Gut oder eine knappe Dienstleistung geben. Es muss immer klar erkennbar sein, wer der Eigentümer ist. Dies kann durch willkürliche Entscheidungen geschehen, die mit Gewalt durchgesetzt werden, oder durch freiwillige Übereinkünfte, Handel und Schenkungen. Sozialismus hat am Ende immer zu Gewalt geführt. Dies hat einen Grund: Der Sozialismus verweigert sich der Realität.

Wo existiert das Merkmal der Knappheit nicht?  Man denke an irgendein Gut oder eine Dienstleistung, über deren Kontrolle und Verbrauch es keinen Wettbewerb gibt. Sie können es konsumieren, und jeder andere auch, unendlich lange. Letzteres ist dabei entscheidend. Damit ein Gut nicht knapp ist, kann es keine Beschränkungen in Bezug auf seine Reproduzierbarkeit geben.

Zählt Luft dazu? Nicht immer, wie Sie sicher wissen, wenn Sie schon einmal mit vielen Menschen in einem Aufzug festsaßen. Was ist mit Wasser? Nein, es hat einen Grund, warum für Wasser in Flaschen ein Preis gezahlt wird. Für diese Dinge gilt dasselbe wie für alles in der materiellen Welt: sie sind nur begrenzt verfügbar und ihr Besitz muss deswegen zugewiesen werden.

Wenn Sie dagegen einen einprägsamen Song wie „Happy“ hören, können Sie dieses Lied den ganzen Tag lang singen und es mit Freunden teilen. Das Original wird dadurch in keinster Weise beeinträchtigt. Genau so können Sie ein Bild betrachten und es nachmalen. Gleiches gilt für die Ideen in diesem Artikel. Sie können sie übernehmen. Ich kann Sie nicht aufhalten, ohne Ihren knappen Körper zu bedrohen oder anzugreifen, oder jemand anderes (zum Beispiel den Staat) damit zu beauftragen. Der Ideenanteil all dieser Dinge ist nicht knapp, darum müssen Ideen keinen Preis haben und sich nicht im Eigentum von irgendwem befinden.

Warum müssen Sie dann trotzdem für den Download von Büchern und Musik bezahlen? Das liegt nicht nur am Copyright; es hat auch damit zu tun, dass Sie nicht für ein Gut, sondern für eine knappe Dienstleistung bezahlen: alles, was mit dem Zugriff auf Datenserver zu tun hat. Das ist die knappe Dienstleistung, die deswegen etwas kostet.

Abgesehen von all dem, verstehen Sozialisten oft nicht einmal den ersten Punkt: Es gibt kein Paradies auf Erden, in dem Knappheit nicht existiert. Wir können uns lediglich bemühen, möglichst viel für so viele Menschen wie möglich verfügbar zu machen, und möglichst viel zu handeln, um von den Vorteilen der Arbeitsteilung Gebrauch zu machen. Das nennt man dann „freier Markt“, und es muss Privateigentum an allen knappen Ressourcen (inklusive Kapitalgütern) geben, damit er funktioniert – und genau das wollen Sozialisten beenden!

Dann betrachten sie Venezuela und denken: Mein Gott, hier muss etwas falsch gelaufen sein! Was immer es sein mag, es kann nicht am Sozialismus selbst liegen!

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Aus dem Englischen übersetzt von Florian Senne. Der Originalbeitrag mit dem Titel Socialists Are Scarcity Deniers ist am 13.8.2016 auf der website der Foundation of Economic Education erschienen.

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Jeffrey Tucker ist verantwortlicher Director of Content für the Foundation for Economic Education and CLO des Startups Liberty.me. Er ist Autor von fünf Büchern und tausender Artikel. Er spricht regelmäßig beim FEE Sommer Seminar. Sein neustes Buch ist Bit by Bit: How P2P Is Freeing the World.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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