Die Schlacht um das „System von Bretton Woods“

28.7.2016 – Besprechung des Buches „The Battle of Bretton Woods. John Maynard Keynes, Harry Dexter White and the Making of a new World Order” von Benn Steil.

von Antony P. Mueller.

Antony P. Mueller

Es geschieht fast schon mit instinktivem Reflex, dass immer dann, wenn es zu einer internationalen Finanzkrise kommt, entweder der Marshallplan oder die Konferenz von Bretton Woods als Lösung vorgeschlagen werden. In völliger Verkennung, was die tatsächlichen Ursachen für die jeweilige Finanzkrise sind, setzt man auf einen Plan und eine Konferenz mit dem Hintergedanken, dass nur Staatsapparat und Politik zu einer Lösung zu finden könnten. Dabei bietet die historische Wahrheit wenig Anhaltspunkte, um dieser Mythologie zu folgen. Weder der Marshallplan noch Bretton Woods schufen die Prosperität der Nachkriegsordnung, sondern Wohlstand kam dort zustande, wo eine marktwirtschaftliche Ordnung durchgesetzt wurde. Keine noch so große Summe an Finanzhilfen oder Krediten kann helfen, wenn das Wirtschaftssystem nicht marktwirtschaftlich ausgerichtet ist.

Die Mythologie von Bretton Woods besteht darin, dass auf dieser Konferenz im Jahre 1944, die in den Vereinigten Staaten am Ort gleichen Namens im Bundesstaat New Hampshire stattfand, die Grundlage für die Schaffung der wirtschaftlichen Nachkriegsordnung gelegt worden wäre. Die gut 700 Delegierten aus 44 Ländern hätten in weiser Voraussicht die Grundlagen für eine Welt geschaffen, in der Wechselkursstabilität und der freie Austausch von Gütern zum raschen wirtschaftlichen Aufbau in Europa führte und auch für die Bundesrepublik die Grundlagen des „Wirtschaftswunders“ legte.

Dass die Sachlage ganz anders war, zeigt das Buch von Benn Steil über „Die Schlacht um Bretton Woods“: „The Battle of Bretton Woods: John Maynard Keynes, Harry Dexter White, and the Making of a New World Order” (Council on Foreign Relations Books – Princeton University Press 2014).

Zunächst erinnert Benn Steil daran, wie wenig manche Inhaber hoher Ämter intellektuell für ihre Aufgaben gewappnet sind. Weder Präsident Delano Roosevelt noch sein Finanzminister hatten nennenswerte Kenntnisse, noch überhaupt Interesse an Währungsfragen. Roosevelt war ein überzeugter Interventionist und erklärter Gegner der freien Marktwirtschaft und besonders des Bankensystems. Sein Finanzminister kam als Freund und Nachbar des Präsidenten über das Landwirtschaftsministerium ins Amt und war dann von 1934 bis 1945 Roosevelts Finanzminister.

Benn Steil zeigt, dass das planerische Zentrum des Finanzministeriums in den Händen von Harry Dexter White lag. Dieser war es auch, der faktisch die US-amerikanische Delegation bei den Verhandlungen in Bretton Woods führte. Später sollte sich herausstellen, dass Harry Dexter White – wie nicht wenige andere Mitarbeiter der Regierung von Franklin Delano Roosevelt – im Dienste Stalins als sowjetischer Spion stand.

Im Unterschied zu den USA war die britische Delegation hochkarätig besetzt und wurde von dem damals schon weltberührten Ökonomen John Maynard Keynes angeführt. Der von Keynes erstellte britische Plan bestand darin, eine Art Weltzentralbank zu schaffen, die ein Kunstgeld („Bancor“ getauft) emittieren würde, das, an keinerlei Anker gebunden, vor allem dazu dienen sollte, im Sinne der keynesianischen Wirtschaftstheorie weltweit genügend Liquidität zu schaffen, um die von ihm für die Nachkriegszeit befürchtete deflationäre Depression zu verhindern. Darüber hinaus verlangte Keynes‘ Plan Flexibilität bei der Festlegung der Wechselkurse, um den einzelnen Volkswirtschaften genügend geldpolitischen Spielraum für die makroökonomische Nachfragesteuerung zu geben. Die Hauptsorge der Briten galt der Frage, wie das Kolonialreich angesichts der während des Krieges aufgelaufenen immensen Auslandsverschuldung zu erhalten sei.

Die Amerikaner, das heißt tatsächlich aber Harry Dexter White, hatten jedoch ganz andere Pläne. Harry Dexter White ging es darum, die USA als die neue Hegemonialmacht zu etablieren und dazu, so erkannte White klar, war eine zentrale Rolle des US-Dollar im künftigen Weltwährungssystem unabdingbar. White war außerdem der Überzeugung, dass eine strikte Anbindung des Dollars an Gold nötig sei, um das internationale Vertrauen in eine national emittierte Währung zu sichern. Der US-Dollar sollte in den Augen der Welt „so gut wie Gold“ sein und so weltweit als Zahlungs- und Reservemedium Gold und Silber bei den beteiligten Ländern als Währungsanker ersetzen. Während somit die Welt dollarisiert werden sollte und der US-Dollar Gold ersetzen sollte, würden die USA selbst über den dem Dollarumlauf entsprechenden Goldbestand verfügen. Harry Dexter White ging bei den Verhandlungen in voller Überzeugung davon aus, dass derjenige, welcher über das Gold verfügt, die Regeln bestimmt.

Keynes hingegen war ein erklärter Gegner der Anbindung einer Währung an Gold. Ihm blieb auch gar nichts anderes übrig, denn Großbritannien hatte bereits in den ersten Kriegsjahren, als das „cash and carry“ Prinzip für Importe aus den USA galt, seine Goldreserven fast vollständig aufgebraucht.

Der zentrale Gegensatz zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich, der alle anderen Fragen dominierte, bestand darin, dass die USA als Gläubigerland und Großbritannien als Schuldnerland am Verhandlungstisch saßen. Für Großbritannien stand nicht nur der Erhalt des Commonwealth auf dem Spiel, sondern die eigene Existenz. Ein Überleben des Landes ohne neue Kredite seitens der USA war unmöglich. Das wusste White, und er nutzte es unerbittlich aus, um den Engländern die Zustimmung zu seinem Plan abzuringen.

Die USA hatten ab 1941 die Kriegshilfe für England und den anderen Alliierten im Rahmen des so genannten „Lent-Lease Act“ gewährt. Dies bedeutete, dass die dem Empfängerland gewährten Sachleistungen (hauptsächlich Militärgüter und Nahrungsmittel) nur leihweise zur Verfügung gestellt wurden. In den letzten Kriegsjahren war deutlich geworden, dass Großbritannien darüber hinaus immer mehr auch Dollarkredite benötigte. Es kam zu einer steigenden Auslandsverschuldung Englands nicht nur gegenüber den USA, sondern auch gegenüber den Mitgliedsländern des eigenen Commonwealth.

Aus Sicht der USA und damit vor allem in der Perspektive von Harry Dexter White war die Bretton Woods Konferenz eine weitere Etappe auf dem Weg, die USA als Hegemon zu etablieren. Der Krieg war ein Mittel, Deutschland und Japan als mögliche Konkurrenten auszuschalten, die Bretton Woods Konferenz diente nun dazu, das Vereinigte Königreich zu neutralisieren. Ein entscheidender Punkt dieser Strategie im Hinblick auf die Rolle Großbritanniens bestand in der Sicht von Harry Dexter White darin, das Commonwealth aufzulösen. White verstand sich ganz im Sinne der kommunistischen Doktrin als „Anti-Imperialist“ und war in diesem Sinne ein Gegner Englands (im Unterschied zum anglophilen Präsidenten).

Harry Dexter White erkannte klar die Rolle der Währungspolitik als Instrument der Geopolitik. Er verstand, dass die Aufrechterhaltung des britischen Weltreiches eng mit der Rolle des Pfund Sterling als Commonwealth-Währung zusammenhing. Um das britische Weltreich zu stürzen, so der strategische Zentralgedanke von White, würde es darauf ankommen, die Rolle des britischen Pfund Sterling als internationale Währung zum Verschwinden zu bringen.

Drei Forderungen standen so im Mittelpunkt der amerikanischen Verhandlungsstrategie auf der Konferenz von Bretton Woods: Erstens, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg England die Zollpräferenzen gegenüber seinen Kolonien abschaffen würde; zweitens, dass Großbritannien das britische Pfund voll konvertierbar machen und drittens dass England einen festen Wechselkurs einführen müsse (der absehbar bald zu einer Überbewertung des Pfundes führen würde). Mit der Unterzeichnung des Bretton Woods Vertrages besiegelte Großbritannien seinen Untergang als Weltmacht.

Die Delegierten der anderen Länder wurden von den USA bereits vor Beginn der Verhandlungen auf die amerikanische Linie eingeschworen. Vor allem den lateinamerikanischen Ländern wurde großzügig Wirtschaftshilfe versprochen, die auch voll darauf hereinfielen. In dem Maß, wie eine solche Hilfe faktisch von Großbritannien nicht zu erwarten war, schwenkten die Delegierten der anderen alliierten Länder auf die US-amerikanische Linie ein und nahmen außer bei den Abstimmungen zu Gunsten der US-Position ansonsten durchweg passiv an den Verhandlungen teil.

Die Pläne von White fanden insofern Unterstützung durch den Präsidenten Roosevelt, wie dieser daran interessiert war, das Weltfinanzzentrum nicht nur von England in die USA zu holen, sondern auch von London nach Washington und nicht etwa nach New York zu verlegen. Dem Präsidenten ging es darum, das internationale Finanzsystem unter politische Kontrolle zu bringen. Dazu sollten die auf der Bretton Woods Konferenz gegründeten Organisationen – der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank (IBRD) – ihren Sitz in Washington haben, wo sie bis heute noch residieren.

Großbritannien wehrte sich verständlicherweise mit Händen und Füßen gegen den Plan von White. So oder so aber raste Großbritannien unaufhaltsam dem Bankrott entgegen. Mit dem Weltreich war es vorbei. England würde nun zu einem Satellitenstaat der USA werden, so wie die Länder in Osteuropa unter die Fuchtel der Sowjetunion fallen würden. Das bleibende Resultat der Bretton Woods Konferenz war die Auflösung des britischen Weltreiches und die bis heute herrschende Dominanz des US-Dollars im internationalen Währungssystem als Grundlage der hegemonialen Rolle der Vereinigten Staaten.

Völlig falsch wäre es, den Aufschwung der Nachkriegszeit in einer Reihe von Ländern Europas auf das Bretton Woods System zurückzuführen. Für den wirtschaftlichen Erfolg war auch nur begrenzt der Marshallplan verantwortlich. Entscheidend war vielmehr, dass sowohl in den USA als auch in mehreren Ländern Europas nach dem Tod von Roosevelt am 12. April 1945 die freie Marktwirtschaft wieder zum Zuge kam. Diese Neuorientierung der amerikanischen Politik unter dem neuen Präsidenten Truman führte auch dazu, dass der ebenfalls auf Harry Dexter White zurückgehende sogenannte „Morgenthau-Plan“ nicht strikt zur Ausführung kam. Dieser Entwurf stellte allerdings ab April 1945 die Grundlage der Militärorder JCS 1067 dar, bis diese durch die Order JCS 1779 Im Juli 1947 ersetzt wurde und schließlich auch Westdeutschland ab 1948 in die Marshallplanhilfe einbezogen wurde. Der neue Feind der USA war nun die UdSSR als die einzige noch bestehende Macht, welche die hegemoniale Position Amerikas streitig machen konnte.

Dass die wirtschaftliche Erholung Westeuropas nicht in erster Linie vom Bretton Woods System und der Marshallplanhilfe abhing, sondern davon, inwieweit marktwirtschaftliche Ideen verwirklicht wurden, wird auch daran deutlich, dass der IWF erst ab 1961 voll funktionsfähig wurde. Außerdem zeigte sich, dass Großbritannien als das Land, das den größten Teil der Marshallplanhilfe erhielt, wirtschaftlich sich kaum erholte, da die auf Churchill folgende Labourregierung unter Clement Attlee einen umfassenden planwirtschaftlichen Interventionismus in Gang setzte.

Sowohl der Internationale Währungsfonds als auch die Weltbank waren faktisch seit ihrer Gründung bis zum Ende der fünfziger Jahre hinein funktionslos. Die für den IWF vorgesehene Rolle wurde in Europa von der 1950 gegründeten Europäischen Zahlungsunion übernommen und die der Weltbank von der Marshallplanhilfe. Zu frei konvertierbaren Währungen, einem zentralen Punkt des Bretton Woods Abkommens, kam es erst ab 1961. Zu diesem Zeitpunkt war es schon absehbar, dass die Vereinigten Staaten nicht mehr imstande sein würden, der vorgesehenen Goldeinlösepflicht des Dollars nachzukommen. 1971 schloss Präsident Nixon das Goldfenster. Das Festkurssystem von Bretton Woods brach faktisch zusammen und wurde 1973 dann auch offiziell abgeschafft. Wie es bei bürokratischen Organisationen jedoch üblich ist, sollte der IWF als Organisation weiter bestehen bleiben, um erst 1982 dann wieder mit dem Ausbruch der internationalen Schuldenkrise eine neue Rolle als finanzpolitischer Weltpolizist zu finden.

Ein aufschlussreiches Kapitel des Buches von Benn Steil ist Harry Dexter White als Person gewidmet. In mancherlei Hinsicht war dieser ein typischer Akademiker seiner Zeit. Wie so viele andere seiner Generation war auch White von der kommunistischen Utopie fasziniert und dabei völlig unfähig, die Wirklichkeit des sowjetischen Regimes zu durchschauen. Nicht wenige dieser Intellektuellen waren Opfer der Verfälschungen in der Berichterstattung über die Sowjetunion, die vom langjährigen Moskauer Korrespondenten der New York Times Walter Duranty verbreitet wurden. Dieser Journalist zeichnete während seiner Zeit in Moskau von 1922 bis 1934 für die führende amerikanische Zeitung ein Bild der Sowjetunion, das die stalinistische Diktatur in glanzvollem Licht erscheinen ließ. Er verschwieg dabei weitestgehend sowohl die Säuberungsaktionen Stalins als auch den Gulag und den millionenfachen Tod ukrainischer Bauern Anfang der 30er Jahre, der durch die Zwangskollektivierung verursacht wurde, den sogenannten „Holodomor“. Die journalistischen Beiträge von Walter in der New York Times, für die Duranty 1932 sogar den renommierten Pulitzerpreis erhielt, trugen nicht unwesentlich dazu bei, dass Roosevelt gleich nach seinem Amtsantritt 1933 die Sowjetunion diplomatisch anerkannte und freundschaftliche Beziehungen zu „Uncle Joe“ aufnahm.

Fest davon überzeugt, dass die Zukunft in der Planwirtschaft nach sowjetischem Muster liege, setzte Harry Dexter White seine Position in der amerikanischen Regierung ein, die Vereinigten Staaten in Richtung auf dieses Ziel voranzubringen. Whites Traum bestand darin, zusammen mit der Sowjetunion die neue Weltordnung zu schaffen. White erwartete, dass die USA sich auch künftig in Richtung auf die Planwirtschaft zubewegen würde, so wie es schon seit den dreißiger Jahren geschehen war und wie die Wurzeln dazu im Ersten Weltkrieg gelegt wurden.

Weder Keynes noch die anderen hochkarätigen Mitglieder der britischen Delegation und auch nicht das englische Außenministerium hatten offensichtlich einen Schimmer davon, was sie auf der Konferenz erwarten würde und worum es im Kern ging. Keynes und seine Delegation wurden das Opfer ihrer eigenen Arroganz und der Fehleinschätzungen der tatsächlichen Machtverhältnisse. Obwohl ein großer Bewunderer von Keynes als Ökonom, blieb White von Keynes in dessen Rolle als Diplomat unbeeindruckt. Auch in den Verhandlungen nach der Konferenz, als es um neue Kredite für Großbritannien ging, versagte Keynes durchwegs mit seiner Verhandlungsstrategie, da er nicht erkannte, dass es den Amerikanern nicht um die Rettung Großbritannien ging, sondern um deren weltpolitische Neutralisierung.

Tatsächlich sollte schon wenige Jahre nach Kriegsende das Ausmaß des englischen Niedergangs deutlich erkennbar werden. Das Pfund Sterling hatte als Weltreservewährung ausgedient und dem US-Dollar Platz gemacht. Ein Land nach dem andern des Kolonialreiches löste sich aus der englischen Vorherrschaft und verlangte Unabhängigkeit. Die Wirtschaft Großbritanniens lag darnieder. Der Krieg hatte dem Land eine so hohe innere und äußere Verschuldung aufgebürdet, dass es außenpolitisch bereits in den ersten Nachkriegsjahren handlungsunfähig war. Die britische Lage wurde noch dadurch verschlimmert, dass im Heimatland eine Regierung an die Macht kam, die damit begann, die britische Industrie systematisch zu verstaatlichen und einen umfassenden Wohlfahrtsstaat aufzubauen.

Die USA zeigten sich im Hinblick auf ihre Forderungen gegenüber Großbritannien erbarmungslos. Die letzte Rate des Kredits, den Großbritannien 1946 aufnehmen musste, nachdem die USA das Lend-Lease-Abkommen am 21. August 1945 schlagartig ohne Vorwarnung beendeten, beglich Großbritannien schließlich 2006 unter der Regierung von Tony Blair.

Benn Steil erzählt auch in seinem Buch, wie Harry Dexter White seine Finger im Spiel hatte, um Japan zu einem Angriff auf die USA zu verlocken und so für die Vereinigten Staaten den Eintritt in den Krieg zu rechtfertigen. Das strategische Interesse der USA bestand nach White darin, durch den Krieg Japans mit den USA zu verhindern, dass Japan die UdSSR im Osten Russlands angreifen würde. Der Krieg der USA gegen Japan sollte dabei nicht nur der Sowjetunion den Rücken freihalten, sondern auch die US-Hegemonie im pazifischen Raum einleiten.

Während Japan im pazifischen Raum ausgeschaltet und England weltpolitisch in die Zweitrangigkeit versetzt werden sollte, ging es im Falle Deutschlands um dessen vollständige Ausschaltung als weltpolitischer Akteur. Dies war der Inhalt des sogenannten Morgenthau-Plans, der gemäß der Darstellung von Benn Steil wesentlich von Harry Dexter White stammte. Danach sollte nach dem Sieg der Alliierten die deutsche Volkswirtschaft vollständig deindustrialisiert, das Land geografisch geteilt und reduziert und um gut der Hälfte seiner Bevölkerung vermindert werden. Benn Steil weist darauf hin, dass der Morgenthau-Plan von der Nazipropaganda gegen Ende des Zweiten Weltkriegs als Aufruf zum unerbittlichen Widerstand genutzt wurde. Steil lässt nicht unerwähnt, dass der Morgenthau-Plan den Zweiten Weltkrieg um Monate verlängerte, da er manche Wehrmachtseinheiten bis zum Schluss antrieb, mit Fanatismus der Invasion der Alliierten entgegenzutreten.

In der USA hat „Der Kampf um Bretton Woods“ große Resonanz ausgelöst. Es geht schließlich um mehr als nur Geschichte. Die USA sind inzwischen vom größten Gläubigerland zum Land mit den höchsten Auslandsschulden geworden und der größte Gläubiger ist nun die aufstrebende Weltmacht China. Benn Steil ist Mitglied des US-amerikanischen regierungsnahen think tanks Council of Foreign Relations, der auch die Forschung zum „Kampf um Bretton Woods“ gesponsert hat. Offensichtlich bereitet man sich in den USA auf ein „neues Bretton Woods“ vor, im dem nun möglicherweise die USA als Bittsteller auftreten werden, so wie Großbritannien 1944 in New Hampshire.

Darüber hinaus zeigt das Buch von Benn Steil aber auch die Abgründe, was hinter den Kulissen bei internationales Konferenzen und Abkommen vor sich geht. Außer dass es sich bei Harry Dexter White um den Autor der amerikanischen Verhandlungsvorlage des Bretten Woods Abkommens handelte, war bis zur Veröffentlichung des Buches wenig darüber hinaus über White bekannt. Er musste am 13. August 1948 vor dem Untersuchungsausschuss für nichtamerikanische Aktivitäten aussagen, wo er seine Rolle als Sowjetspion leugnete, gleich darauf starb er am 16. August 1948 im Alter von 55 Jahren an einem Herzinfarkt.

Der größte Teil der amerikanischen Bevölkerung wusste weder etwas von White noch von den anderen Plänen, die von den vielen dubiosen Mitgliedern der Roosevelt-Regierung ausgeheckt wurden. Auf einer zukünftigen „Weltwährungskonferenz“ wird es nicht besser zugesehen als in der von John Maynard Keynes als „Affenhaus“ bezeichneten Bretton Woods Konferenz.

Harry Dexter White ist ein Beispiel dafür, wie kaum bekannte Männer im Hintergrund geheime Fäden ziehen, die das Schicksal ganzer Völker bestimmen. Das Buch von Benn Steil über die „Schlacht von Bretton Woods“ sollte somit nicht in erster Linie dazu dienen, die Regierenden und ihre Helfershelfer auf ein „neues Bretton Woods“ vorzubereiten, sondern Anlass sein, Ausschau nach privaten Geldordnungssystemen zu halten, um hegemoniale Währungssysteme zukünftig überflüssig machen.

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Dr. Antony P. Mueller (antonymueller@gmail.com) ist habilitierter Wirtschaftswissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg und derzeit Professor der Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomie, an der brasilianischen Bundesuniversität UFS (www.ufs.br), wo er am Zentrum für angewandte Wirtschaftsforschung und an deren Konjunkturbericht mitarbeitet und im Doktoratsprogramm für Wirtschaftssoziologie mitwirkt. Dr. Müller ist außerdem Mitglied des Ludwig von Mises Institut USA und des Mises Institut Brasilien und leitet das Webportal Continental Economics (www.continentaleconomics.com).

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