Was man aus Japans Misere lernen kann

6.5.2016 – von Yonathan Amselem.

Die größte Tragödie des Finanzkollapses in den Jahren 2008-2009 war nicht, dass es dazu gekommen ist. Der Zusammenbruch der Vermögenspreise war die notwendige Folge einer nahe Nullzinspolitik. Der verheerendste Aspekt des Finanzkollapses war, dass die Alchemie der Zentralplaner nichts von ihrer Glaubwürdigkeit verlor. Politiker auf der ganzen Welt machen immer noch vom keynesianischen und sozialistischen Interventionismus Gebrauch, um Probleme zu lösen, die von Keynesianern und Sozialisten verursacht wurden.

Die zwei Krankheiten Zentralbankwesen und fast unbegrenzte Staatsmacht haben die Weltmärkte (schon wieder) derart aus der Bahn geworfen, dass inzwischen ganze Volkswirtschaften mit dem Tod zu kämpfen haben. Das neuste Opfer der Interventionisten und Mikromanager ist Japan. Dieses einst produktive und innovative Land begann, mit der Zeit unter dem Krebsgeschwür des Interventionismus zusammenzubrechen.

Die japanische Niederlage im 2. Weltkrieg hinterließ eine unfruchtbare, felsige  Inselgruppe. Die industrielle Kapazität, die Infrastruktur und die Arbeitsmärkte wurden von den Alliierten zerbombt. Japans Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht und von japanischen Fabriken blieben lediglich Trümmer übrig – kein guter Ausblick für die Zukunft. Aber Japan hatte das, was am meisten zählt – eine Bevölkerung,  die größtenteils frei war, sich zu organisieren und das Land wieder aufzubauen. Das US-amerikanische Militär und die Überbleibsel zentraler japanischer Behörden versuchten, den Wiederaufbau Japans zentral zu leiten und „herbeizuführen“, aber die Kommunikationswege und die Infrastruktur waren so beschädigt, dass viele Ballungsräume außerhalb von Tokio relative Freiheit beim Wiederaufbau hatten.

Der daraus folgende Wirtschaftsboom katapultierte den japanischen Lebensstandard auf die Höhe der meisten westlichen Länder. Dieses Wachstum, ja dieses „Wunder“, war weder wundersam noch außerordentlich. Japans neugewonnene Prosperität war die ganz normale Folge eines ungehinderten Marktes, der ohne staatliche Einmischung funktionieren durfte. Unglücklicherweise konnten die Zentralplaner im Bank- und Staatswesen dem impulsiven Griff zum schweren Hammer des Interventionismus nicht widerstehen. Wenn es etwas gibt, was die politische Elite am meisten hasst, dann sind das freie Menschen, die ohne erzwungene Mandate der Elite freiwillige Entscheidungen treffen.

Zentralplanung machte aus japanischen Firmen Wohlfahrtsschnorrer

Die Zentralplaner drückten der japanischen Wirtschaft eine Vielzahl von wahnwitzigen, marktfeindlichen Programmen auf, die bis heute unreformiert blieben. Die Gesetzgeber „beschützten“ die massive japanische Industrie durch protektionistische Zölle und subventionierten sogar einige Exporte nach Übersee. Im Inland wurden japanische Firmen durch lästige Regulierungen und sehr hohe Steuern regelrecht ausgequetscht – so konnten die Start-ups und Kleinunternehmen nicht wachsen und mit den Giganten konkurrieren. Als ob das nicht schon genug wäre – die Exporteure wurden darüber hinaus großzügig von der Bank of Japan (BOJ) bedient. Die BOJ hat in den letzten 30 Jahren hart daran gearbeitet, den Yen in Klopapier zu konvertieren.

Eine wertlose Währung führt zu künstlich gesteigerten Profiten für Firmen, die Güter exportieren, und künstlich gesteigerten Kosten für Firmen, die Güter importieren – schließlich hat jede Handlung auf Seiten des Staates seine Profiteure, aber auch die Verlierer, die die Kosten tragen. Die verheerenden Folgen dieser Maßnahmen haben die japanische Produktivität im 20. und im 21. Jahrhundert massiv erodieren lassen.

Wie in allen industrialisierten Volkswirtschaften mit einem mächtigen Staat und einer Zentralbank mutierten die größten Firmen auch in Japan zu Staatsagenten oder -stellvertretern. Von japanischen Automobilherstellern, Exporteuren und anderen produzierenden Betrieben kann man zuverlässig erwarten, dass sie die staatliche Arbeits- oder Produktionspolitik durchsetzen. Im Gegenzug erhalten sie direkten Zugang zu Politikern, billigen Krediten, wettbewerbsfeindlicher Regulierung, garantierten Profiten und Bail-outs. Japanische Firmen (insbesondere im produzierenden Betrieb) haben sehr tiefe Wurzeln und sind gegen Wettbewerb im Inland und Ausland weitgehend immun.

Staatlicher Protektionismus machte aus einst produktiven japanischen Firmen träge, marode Skelette. Die wenigen, tatsächlich produktiven japanischen Sektoren wurden durch Steuern zwanghaft geschrumpft, um einen massiv aufgeblähten Staat und die Unternehmer-Parasiten an seinen Zitzen zu füttern – mit dem Ergebnis, dass japanische Firmen im Weltmarkt gegen dynamische Firmen aus Australien, Neuseeland, Singapur, Hongkong und anderen eher marktorientierten Volkswirtschaften weniger und weniger wettbewerbsfähig sind.

Keynesianische Alchemie in Japan

Japans keynesianische Todesspirale begann vor fast drei Jahrzehnten. 1986 hat sich der Außenwert des Yen im Vergleich zum US-Dollar beinahe verdoppelt. Infolgedessen litt der gigantische japanische Exportsektor. Unternehmen mit politischem Einfluss merkten, dass sie ihre Profite erhöhen konnten – nicht durch die Schaffung von Innovationen oder durch eine Reduktion von Kosten, sondern indem man die Politik- und Geldelite unter Druck setzt, damit sie den Markt mit billigen Krediten überfluten. Die BOJ und die kurzsichtigen Politiker haben sich begierig an diesem Plan beteiligt. Das Ergebnis war die größte Blase, die sich jemals auf japanischem Boden gebildet hat. Der Wert der Landfläche in Tokio überstieg den Wert der Fläche der gesamten Vereinigten Staaten von Amerika. Innerhalb nur einiger weniger Jahre vervierfachte sich der Wert des Nikkei und ein enormer japanischer Finanzsektor entstand. Ist eine Volkswirtschaft „overbanked“, ist dies eines der ersten Zeichen eines zentralbankgroßen, malignen Tumors. Der Aufstieg von gigantischen Investmentbanken und Millionen Dollar schweren Derivatetradern in den USA korrelierte fast zeitgleich mit dem Aussterben von (ansatzweise) gutem Geld in 1971 (die Nixon-Regierung beendete den US-amerikanischen Goldstandard). Japans monetärer Irrsinn führte zu Unternehmens- und privaten Schulden in Rekordhöhe, die durch Null Ersparnisse in der Privatwirtschaft gedeckt waren.

Das unvermeidliche Platzen der Blase in den frühen 90er Jahren war spektakulär. Der Nikkei büßte über 80 Prozent seines Wertes ein, Land- und Immobilienpreise waren fast ganz am Nullpunkt angelangt und das BIP-Wachstum fiel auf armselige 1 Prozent. Wenn Ökonomen von Japans „verlorenem Jahrzehnt“ sprechen, dann ist von der japanischen Wirtschaft nach dem Platzen der Blase die Rede. Mittlerweile leben die Japaner im dritten Jahrzehnt minimalen Wachstums. Der Nikkei und die Vermögenspreise haben ihren bisherigen Höchststand nicht einmal annähernd erreicht. Hätten Sie 1990 in den Nikkei investiert, läge Ihre Rendite nach 26 Jahren bei ungefähr minus 50 Prozent. Keynesianer und andere Wirtschaftsinterventionisten sollten Japan lieber als den Kanarienvogel im Kohlebergwerk betrachten.

Im vergangenen Jahrzehnt haben die USA und Europa ihre keynesianische Alchemie ausgeweitet, dabei würde es genügen, wenn die Verantwortlichen einen Blick nach Japan werfen würden, um zu sehen, welche Zerstörung diese Maßnahmen angerichtet haben – 30 Jahre lang versuchte das Land, sich durch Leihen, Drucken und Besteuern reich zu machen. Japan ist im späten Stadium der keynesianischen Krankheit und die politischen Entscheidungsträger in den anderen Industrieländern sollten sich lieber in Acht nehmen.

Das Altern der Bevölkerung

Als ob jedoch die haarsträubenden Projekte der politischen Elite nicht genug wären, um Japans Sarg endgültig zuzunageln, leidet das Land auch an einem demographischen Desaster. Ein Land, das mehr Erwachsenenwindeln als Babywindeln benötigt, ist ein Land, das auf dem besten Weg ist, zusammengeknüllt im Papierkorb der Geschichte zu landen. Es gibt dort solch einen Mangel an jungen, fähigen Arbeitern, dass das Land sogar damit anfing, „Praktikanten“ aus China zu importieren, die in den vielen Industriesektoren arbeiten sollen. Wie in Europa und den USA bezwecken die endlosen „Bildungs“-Maßnahmen, dass sich junge Erwachsene mehr und mehr von den Fähigkeiten, die vom Arbeitsmarkt nachgefragt werden, distanzieren. Die jungen Erwachsenen werden fast ausnahmslos nur durch Schulden oder Kapitalverzehr der elterlichen Ersparnisse finanziert. Für unfähige, überschuldete japanische Paare (ohne Ersparnisse), die wahrscheinlich erst Mitte 20 mit der Arbeit anfangen, wird es immer schwieriger, eine Familie zu gründen und großzuziehen.

Es ist noch nicht zu spät

In Japan gibt es sehr fähige Menschen, eine beeindruckende Industrie und all die notwendige Infrastruktur, mit der sich das Land wieder als Weltwirtschaftsmacht etablieren kann. Eine japanische Erholung bedeutet: Steuern senken, sich von den abstrus merkantilistischen Politiken trennen, eine einfachere Immigration ausländischer Unternehmen und Arbeiter zu ermöglichen und dem Markt die Hoheit über den Außenwert des Yen zu gewähren. Die Manipulatoren und Zentralplaner, die ein großartiges Land in eine katastrophale Einöde verwandeln, müssen von den Japanern aussortiert werden.

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Aus dem Englischen übersetzt von Vincent Steinberg. Der Originalbeitrag mit dem Titel How Central Planners Crippled Japan’s Economy ist am 21.4.2016 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

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Yonathan Amselem ist „Asset Protection“-Anwalt in Washington, D.C.

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