Wohlstand lässt sich nicht herbeizaubern

8.4.2016 – von Ryan McMaken.

Ryan McMaken

Nach jahrelangem Festhalten am revolutionären Marxismus bewegt sich Kuba – aus Not und Pragmatismus – in Richtung eines eher traditionellen autoritären Staates. Aber selbst nach dem Tod von Raúl und Fidel Castro ist es eher unwahrscheinlich, dass sich der kubanische Staat plötzlich in ein relativ freies, marktwirtschaftliches politisches System wandelt. So wie es in China der Fall war, wird die kubanische Elite Wege finden, an ihren Positionen festzuhalten, die politische Kontrolle beizubehalten und dabei einen wesentlichen Teil des von den Arbeitern produzierten Wohlstands für sich in Anspruch zu nehmen. Kuba wird die wirtschaftliche Kontrolle wahrscheinlich lockern, weil man erkannt hat, dass „eher freie“ Volkswirtschaften produktiver als „weniger freie“ sind. Aber denken Sie nicht, dass Kuba in absehbarer Zeit zu einem Land des Unternehmertums wird.

Auch wenn sich die Wirtschaft ein klein wenig liberalisiert, wird Kuba dauerhaft ärmer als die meisten seiner Nachbarländer bleiben. Und selbst wenn sich Kuba in ein karibisches Singapur verwandelt – was extrem unwahrscheinlich ist – würde das Land noch über Jahrzehnte ärmer als viele der lateinamerikanischen Nachbarn bleiben.

Der Grund dafür ist, dass Menschen – trotz allem, was uns unsere Politiker erzählen – nicht allein durch simples Wollen des Staates wohlhabender gemacht werden können. Wäre es nämlich so, dass Wohlstand von einem Staat aus dem Nichts erzeugt werden könnte, dann hätten die Regimes in Kuba und Nordkorea, von denen keines irgendeine organisierte politische Opposition hatte, ja praktisch ungehinderte Macht zur grenzenlosen „Verbesserung“ der Wirtschaft.

Aber im echten Leben kann Wohlstand nur durch den mühsamen Prozess des Arbeitens, Sparens, und Kapitalzuwachses erzeugt werden. Es steht außer Frage, dass manche Menschen von einer staatlich vorgeschriebenen Wohlstandsumverteilung profitieren können – aber um an diesen Wohlstand zu gelangen, muss er erst erschaffen werden, indem man wertvolle Güter oder Dienstleistungen produziert und indem man heute zugunsten von Investitionen auf Konsum verzichtet und dadurch morgen mehr konsumieren kann.

Das ist einfacher gesagt als getan. Und was am meisten frustriert: Selbst nachdem eine Gesellschaft die Schranken für relativ freie Märkte öffnet, kann es trotzdem Jahrzehnte dauern, bis sie – gemessen an modernen Standards – als wohlhabend gilt. Und noch schlimmer: Während des Aufbaus des Wohlstands werden viele Ideologen und Politiker auf das Gefälle zwischen reichen und armen Ländern zeigen und den Märkten die Schuld dafür geben.

Ostdeutschland und Osteuropa

Obwohl es so etwas wie ein vollständig kontrolliertes Experiment im Bereich der Volkswirtschaft oder Politik nicht gibt, existieren doch einige Fälle, die überzeugend demonstrieren, dass politische Revolutionen nicht ausreichen, um eigenständig wirtschaftliche Revolutionen auszulösen.

Ein Beispiel: Selbst 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sind die Gebiete, die einst der DDR angehörten, ärmer als die Gebiete, die allgemein als Westdeutschland bezeichnet werden.

2014 berichtete die Washington Post, dass Ostdeutschland geringere Ersparnisse aufweist, dort hohe Arbeitslosigkeit vorherrscht und die Menschen allgemein weniger wohlhabend sind. Viele der jungen Leute haben das alte Ostdeutschland auf der Suche nach besseren Arbeitsplätzen in Richtung Westen verlassen.

Chris Matthews von der Zeitschrift Fortune beobachtete: „Wenn Sie Statistiken wie Pro-Kopf-Einkommen oder Arbeiterproduktivität betrachten, sehen Sie das große Gefälle in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen Ost und West.“

Claudia Brachold meint: „Heute hat Ostdeutschland viele strukturelle Probleme, vergleichbar mit Ländern wie Griechenland und Spanien, allerdings in einem viel geringeren Ausmaß.“

Während des Kalten Krieges zeigten viele Gegner des Kommunismus auf Deutschland – als perfektes Beispiel dafür, wie sowjetischer Kommunismus den wirtschaftlichen Wohlstand zerstört. Aber das war damals. Heute ist das ostdeutsche Regime weg und Deutschland ist, relativ gesehen, eine der marktorientiertesten Volkswirtschaften der Welt. Warum ist Ostdeutschland also weiterhin arm, im Vergleich zu den westdeutschen Nachbarn?

Die Ursache ist darin zu finden, dass, obwohl die rechtlichen und politischen Systeme in Ostdeutschland die gleichen wie im Westen sind, der Osten daran leidet, dass dort unter der Führung der Sowjets mehrere Jahrzehnte Kapitalansammlung und Wachstum der Arbeiterproduktivität verpasst wurden.

Deutschland bietet hier natürlich den besten Vergleich. West- und Ostdeutsche genossen viele Jahrzehnte lang vor dem 2. Weltkrieg ähnliche politische Systeme. Darüber hinaus waren Ost- und Westdeutsche ethnisch und kulturell ähnlich. Der Vergleich ermöglicht uns daher, uns auf die Regimeunterschiede zur Zeit des Kalten Krieges zu konzentrieren.

Wir können auch über das Beispiel Ostdeutschland hinausschauen. Wir können uns beispielsweise fragen, warum Polen trotz der dortigen westlichen Orientierung und langen Tradition parlamentarischer und dezentraler Regierungen weiterhin so relativ arm ist.

Das gleiche kann man auch über die Tschechische Republik sagen. Prag war einst die zweite Stadt des österreichischen Reiches und ein Zentrum europäischen Wohlstands und europäischer Kultur. Die Tschechen haben ebenfalls das relative Niveau europäischen Wohlstands nicht erreicht.

Ein Teil der Erklärung liegt in der Tatsache, dass die Hinterlassenschaften eines ehemaligen politischen Systems noch Jahrzehnte nach einem Regimewechsel überleben können. Nicolás Cachanosky meint im Kontext von südamerikanischen Regimes folgendes:

Institutioneller Wandel […] definiert das langfristige Schicksal eines Landes, nicht dessen kurzfristigen Wohlstand. […] Während beispielsweise China Teile der Wirtschaft internationalen Märkten öffnete, begann das Land zu wachsen, und jetzt sehen wir die Folgen von jahrzehntelanger relativer wirtschaftlicher Liberalisierung. Es ist wahr, dass vielen Regionen Chinas wichtige Freiheiten fehlen, aber wir hätten heute ein ganz anderes China vor uns, hätten sich die Institutionen vor Jahrzehnten nicht geändert.

Natürlich führt der Hang zur Liberalisierung im alten Ostblock dazu, dass sich diese Länder auf einem Pfad bewegen, an dessen Ende größerer wirtschaftlicher Wohlstand zu finden ist. Aber für sich alleine kann diese Maßnahme nicht dazu führen, dass diese Länder mit anderen Ländern, die nie unter den Wirkungen von jahrzehntelangem Kommunismus litten, gleichauf sind.

Korea: Ein extremes, aber relevantes Beispiel

Diese Zusammenhänge werden besonders offensichtlich werden, wenn und sobald Nordkoreas Regime zusammenbricht. Dann ist es wahrscheinlich, dass Nord- von Südkorea gleichwie absorbiert wird. Wenn das passiert, werden wir ein Land sehen, in dem die nördlichen Gebiete – trotz einer identischen ethnischen Zusammensetzung und einer extrem ähnlichen langfristigen Geschichte – sehr, sehr viel ärmer als die südlichen Gebiete sein werden.

Manche Deutsche sind noch bis heute nachtragend in Bezug darauf, wie viel Steuerzahlergeld vom Westen in den Osten floss. Aber das wird nichts sein im Vergleich zu den Steuergeldern, die im Falle eines vereinten Koreas vom Süden in den Norden fließen würden. Der BBC schildert das folgendermaßen:

Die Einkommen in Südkorea sind um das zehn- bis zwanzigfache höher als in Nordkorea – eine sehr viel größere Kluft als zwischen Ost- und Westdeutschland. Würde es also zu einer Wiedervereinigung kommen, dann wäre der wirtschaftliche Schock sehr, sehr viel größer.

Geflüchtete Nordkoreaner mussten bereits erkennen, dass ihre Fähigkeiten für Südkorea ungenügend sind. Ärzte aus Nordkorea schaffen es oft nicht, standardisierte südkoreanische medizinische Examen zu absolvieren. All das zeigt, dass die Mengen an Arbeit und Geld, die für eine Wiedervereinigung notwendig sind, die deutschen Mengen in den Schatten stellen würden.

In einem solchen Szenario würden die Probleme, die in Deutschland auftraten, in Korea um eine Dimension größer werden. Junge Arbeiter würden auf der Suche nach Arbeit und Bildung in den Süden strömen. Der Norden wäre am Ende ein Land verarmter Rentner, die mit ihren Sozialleistungen auf Kosten der Arbeiter im Süden leben würden. Nur nach vielen Jahrzehnten würde sich das Kapital langsam in den Norden bewegen und Nordkorea könnte vielleicht sogar die Charakteristika eines Frontstaates annehmen, in dem die Wirtschaft größtenteils auf Rohstoffextraktion basiert und die Arbeiter von anderen Teilen des Landes oder sogar vom Ausland importiert werden müssten.

Sicherlich könnte dieser Prozess durch erzwungene Umverteilungen und Transfers von südlichem Kapital und Wohlstand beschleunigt werden, aber das würde die Südkoreaner sehr teuer zu stehen kommen.

Der politische Rückschlag

Aber selbst wenn es offensichtlich ist, dass Marktwirtschaften zu größerem Wohlstand und erhöhter Prosperität führen, werden solche Änderungen in Korea und Kuba zu einem politischen Rückschlag führen – so wie es gewissermaßen auch in Osteuropa passierte. Die gesellschaftlichen Übel, die in den neu „verwestlichten“ Ländern zu finden sind, werden auf „exzessiven Kapitalismus“ zurückgeführt. Die Arbeiter migrieren, um dem Kapital zu folgen, und hinterlassen dabei in den ehemals kommunistischen Gebieten eine ausgehöhlte Wirtschaft. Da man nicht mit Magie bewirken kann, dass Wohlstand überall gleichzeitig erscheint, wird es weiterhin in vielen Gebieten eine signifikante Armut geben – aber jetzt, anstatt dass man die Schuld auf inländische bürgerliche Reaktionäre schiebt, wird dem Kapitalismus die Schuld gegeben; und weil es dann dort tatsächlich mehr oder weniger Kapitalismus gibt, wird das Argument stark an Überzeugungskraft gewinnen. Die relative Armut der alten kommunistischen Gebiete wird sich fortsetzen, trotz immensen Zuwächsen im Lebensstandard. Kapitalisten wird für diese Ungleichheit ebenfalls die Schuld gegeben. Andrei Lankov schrieb im koreanischen Kontext:

Reichtum und Armut sind grundsätzlich relative Kategorien. Es gibt kaum Zweifel, dass der durchschnittliche nordkoreanische Fließbandarbeiter oder Reisbauer in den ersten Jahren nach der Vereinigung sein Leben mit dem vergleicht, was die Norm unter der Kim-Familie war – und solche Vergleiche fallen entscheidend zugunsten des neuen Systems aus. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, vielleicht nur ein paar Jahre, bis sich das Vergleichsobjekt auf den jetzigen Süden verlagert. Nordkoreaner werden damit anfangen, ihren Wohlstand nicht mit ihrer Vergangenheit, sondern mit Südkoreas Gegenwart zu vergleichen, und diese Vergleiche werden nicht sehr gut ausfallen oder ernsthaft motivierend sein.

Statt dass man also im nordkoreanischen Regime ums Überleben kämpft, fängt man an, mit den anderen mithalten zu wollen. Damit kommt auch Nostalgie für eine „einfachere“ Zeit auf und der Drang, dem Kapitalismus schon wieder für die bleibende Ungleichheit die Schuld zu geben, entsteht. Die Lektionen darüber, was überhaupt den Reichtum verhindert hat, werden schnell wieder vergessen sein.

Etwas ähnliches passiert wahrscheinlich in Kuba. Wenn sich Kuba weiterhin langsam (wirtschaftlich, wenn nicht politisch) liberalisiert, wird das Land dennoch sehr viel ärmer als die Vereinigten Staaten sowie Mexiko, Chile und all die sogenannten „pazifischen Pumas“ bleiben, die sich in Lateinamerika in Richtung freierer Märkte begeben.

Die Kubaner, besessen von der wahrgenommenen Ungleichheit, werden dann einen „Wandel“ verlangen, aber anstatt dass sie weiter liberalisieren, werden sie den Weg Venezuelas gehen und eine weitere schnelle Spritze verlangen, was unglücklicherweise zu einem ewig andauernden Zyklus werden könnte.

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Aus dem Englischen übersetzt von Vincent Steinberg. Der Originalbeitrag mit dem Titel Will North Korea and Cuba Ever Be Wealthy? ist am 1.4.2016 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

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Ryan McMaken ist Editor von Mises Daily und The Free Man. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der University of Colorado.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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