Die Tugend des Egoismus

22.2.2016 – Buchbesprechung: „Die Tugend des Egoismus“ von Ayn Rand.

von Andreas Tögel.

Andreas Tögel

Wer das Opus magnum der in Europa weithin unbekannten, brillanten Denkerin und Begründerin der Denkschule des „Objektivismus“, Ayn Rand, den 1.100-Seiten-Roman „Atlas Shrugged“ (deutscher Titel: „Wer ist John Galt?“ oder „Der Streik“) gelesen hat, ist mit der unerbittlichen Strenge ihres Denkens bereits vertraut. Holzschnittartig legt sie die Protagonisten dieses Werkes an: Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse, Held oder Schweinehund – für Zwischentöne ist hier kein Platz. Grautöne kommen auf der Farbpalette der Autorin nicht vor.

In dem nun endlich erstmals auch in deutscher Sprache vorliegenden Text (der Anfang der 1960er Jahre erschienene Originaltitel der Beitragssammlung lautet „The Virtue of Selfishness“) erläutert sie, ergänzt durch einige Beiträge aus der Feder ihres langjährigen Weggefährten und Mitstreiters Nathaniel Branden, warum das so ist, ja, warum es unbedingt so sein muß! Kompromisse zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch darf – und kann! – es nach ihrer Überzeugung nicht geben. Warum? Weil es der menschlichen Vernunft zuwiderläuft. Weshalb sollte beispielsweise das Ideal der Freiheit – und sei es zu noch so kleinen Teilen – an die Verfechter und Wortführer der Sklaverei verraten werden? Wäre es etwa ein erstrebenswerter, „guter“ Kompromiss, anstatt einer ganzen Gesellschaft, „nur“ der Hälfte davon die Freiheit zu rauben? Oder anstatt 100 Unschuldiger „nur“ 50 zu exekutieren? Kompromisse mit dem Übel einzugehen, bedeutet stets eine Niederlage des Tugendhaften und verhilft immer nur dem Bösen zum Sieg.

Ayn Rand (1905 – 1982)

Relativismus ist ihre Sache wahrlich nicht. Die eiserne Unerbittlichkeit Ayn Rands „objektivistischer“ Philosophie leuchtet aus jedem ihrer Sätze hervor. Abstriche von als richtig erkannten Positionen zu machen, betrachtet sie als feigen Verrat. Die heute allseits zur Kardinaltugend hochstilisierte Toleranz – in diesem Punkt stimmt sie mit den Ideen Friedrich Nietzsches überein – findet vor ihrem harten Urteil ebenso wenig Gnade wie der unserer Tage nicht minder gelobte Altruismus. Doch der von ihr beschworene „rationale Egoismus“ läuft keineswegs auf kruden Sozialdarwinismus hinaus. Es geht ihr nicht um die Verfolgung von Träumen und das Ausleben von (Herrschafts-)Sehnsüchten des Stärkeren, sondern um die Formulierung objektiver Kriterien, die ein gedeihliches und friedvolles Zusammenleben aller Menschen möglich machen.

Es dürfte kaum überraschen, dass die Autorin auch sämtliche Spielarten des Sozialismus – von dunkelrot bis braun – vernichtend kritisiert.

In insgesamt 19 Beiträgen (fünf davon wurden von Nathaniel Branden beigesteuert) skizziert und begründet sie schwungvoll und mit kraftvollen Worten ihre Philosophie, die die Grundlage ihres oben zitierten, in Europa leider viel zu wenig bekannten Meisterwerkes (eines der bis heute meistgelesenen Bücher in den USA!) bildet.

In mehr als einem der voneinander unabhängigen, vor nunmehr über 50 Jahren entstandenen Aufsätze zitiert sie dessen sagenhaften Helden, John Galt. Er dient ihr in der „Tugend des Egoismus“ quasi als Sprachrohr – so wie es der geniale Architekt Howard Roark aus ihrem Roman „Fountainhead“ tut (dieser Stoff wurde im Jahr 1949 von King Vidor mit Gary Cooper in der Hauptrolle – passenderweise in Schwarzweiß – verfilmt. Der etwas unglücklich gewählte deutsche Titel des Streifens lautet: „Ein Mann wie Sprengstoff“).

Gerade in unserer völlig dem Relativismus verfallenen, wertebefreiten Welt, in der schwammige Gefühle hundertmal mehr zählen als scharf formulierte Rechte, wird die Lektüre des Buches – je nach Standpunkt des Lesers – entweder zutiefst verstören und zu Widerspruch herausfordern, oder restlos begeistern. Es gibt nur wenige Bücher, die in einer derart schroffen Art zu polarisieren vermögen, wie dieses Manifest selbstbewussten Freisinns. In den Bibliotheken von Freidenkern, Libertären und Befürwortern einer Marktwirtschaft ohne Adjektive sollte dieses Manifest der militanten Atheistin Ayn Rand jedenfalls nicht fehlen. Es ist ein wahres Labsal.

Die Tugend des Egoismus
Ayn Rand, mit Beiträgen von Nathaniel Branden
TvR Medienverlag
190 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-940431-55-4
19,90 Euro

*****

Dieser Beitrag könnte Sie auch interessieren … von Ludwig von Mises: Nur der einzelne handelt, nicht das Kollektiv


————————————————————————————————————————————————————————

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

*****

Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Fotos Ayn Rand: Cornell Capa, wikipedia

Soziale Medien:
+ posts
Kontaktieren Sie uns

We're not around right now. But you can send us an email and we'll get back to you, asap.

Nicht lesbar? Text ändern. captcha txt

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen